Tiny House Versorgung – ist Autarkie möglich?

13. Februar 2019Marco Schaller

Unsere Idee vom eigenen Tiny House nimmt langsam Gestalt an. Haben wir uns erst vor kurzem noch mit unserer Lebensweise im Tiny House, also unserem Lebenstil, auseinandergesetzt, steht heute die Tiny House Versorgung auf dem Plan. Wir wollen uns zwar reduzieren, aber dabei nicht auf fließendes Wasser, Elektrizität oder die Anbindung zur Welt verzichten. Zudem wollen wir mit dem Tiny House mobil bleiben, aber später auch einmal sesshaft werden. Die Entscheidung zwischen vollständiger Autarkie und Netzanbindung muss also wohlüberlegt sein.

Für welche Versorgungsart wir uns entschieden haben, welchen Einfluss der Minimalismus darauf hatte und warum wir in Zukunft auch ganz ohne Sonne schwitzen können, erfahrt ihr in diesem Beitrag.

Die ersten Überlegungen

Um unsere passende Art der Versorgung für das Tiny House zu finden, haben wir uns zunächst ganz grob am Schema eines normalen Hauses und Grundstücks orientiert. Folgende Grundpfeiler der Infrastruktur beachtet man dort:

  • Sanitär (Wasser, Abwasser, Wärme)
  • Elektrizität
  • Straßennetz
  • Kommunikation

 

Die Anbindung an das Straßennetz können wir schon einmal als erledigt betrachten. Unser Tiny House hat Räder und kann auf der Straße bewegt werden. Interessant wird dieser Punkt für uns, wenn für einen späteren Lebensabschnitt ein Grundstück als dauerhafter Stellplatz gesucht wird. Schließlich müssen wir mit dem Tiny House irgendwie auf das Gelände kommen. Kleine Bergdörfer scheiden daher aus.

Da wir uns vorgenommen haben viel unterwegs, bei Bedarf aber auch länger an einem Ort zu sein, konzentrieren wir uns auf ein vollautarkes System, welches zusätzlich über Festanschlüsse verfügt.
Parken wir also für zwei Wochen auf einem Campingplatz oder Tiny House Dorf, können wir die vorhandenen Medien wie Wasser, Abwasser und Strom direkt anschließen. Dieser Aufbau gibt uns größtmögliche Unabhängigkeit auf der Straße aber auch die Option für längere stationäre und bequeme Aufenthalte.

Die wichtigste Tiny House Versorgung zuerst - Das Wasser

Um im Tiny House möglichst lange autark bleiben zu können, müssen wir als erstes die Frage nach der Wasserversorgung klären. In einem normalen Haushalt geht pro Tag ganz schön viel Wasser verloren. Laut BDEW, dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V., verbrauchte in 2018 jeder Deutsche im Schnitt 127 Liter Wasser. Sollten wir uns mit dem Tagesverbrauch im Tiny House also ungefähr im Schnitt einpendeln, werden pro Tag ca. 254 Liter Wasser ungenießbar. Da wir einerseits jedoch gerne Wasser sparen, aber nicht auf die täglichen Duschen verzichten möchten, haben wir uns für einen Wasserkreislauf im Tiny House entschieden.

Mit Hilfe eines Wasserkreislaufs können wir nicht nur das verbrauchte Wasser direkt reinigen und wieder dem Frischwassertank zuführen, sondern auch Regenwasser sammeln und für die Verwendung im Tiny House säubern. Das Wasser durchläuft dabei verschiedene Grob-, Fein- und Keramikfilter und wird zudem von Viren und Bakterien befreit. Ein besonderes Augenmerk legen wir dabei auf ein leistungsfähiges System, damit das Duschwasser direkt bei Benutzung gereinigt und wieder der Dusche zugeführt werden kann. Ein bekanntes Open-Source-System ist ShowerLoop, mit dessen Hilfe sich der Wasserverbrauch während des Duschens auf ca. 10 Liter bei nahezu unbegrenzter Duschdauer realisieren lässt.

Für die längere Haltbarkeit der Filtersysteme werden wir den Einsatz konventioneller Reinigungsprodukte wie Duschseifen, Spülmittel, etc. stark zurückschrauben und stattdessen auf umweltschonendere Stoffe zurückgreifen. Einen Grundbaustein auf dem Weg zur autarken Tiny House Versorgung hätten wir damit.

Die Toilette muss separat betrachtet werden

Um überhaupt in die Lage zu kommen, das Abwasser mit Hilfe eines Wasserkreislaufs und überschaubarem Aufwand reinigen zu können, müssen wir jedoch die Toilette aus der Wasserversorgung streichen. Somit wird das als Schwarzwasser bekannte Abwasser (inkl. Fäkalien und Urin) zu Grauwasser (von Dusche, Waschbecken und Spülmaschine) und lässt sich ohne Probleme säubern.

Als Tiny House Toilette setzen wir auf eine Trocken-Trenn-Toilette von Separett, bei der feste von flüssigen Ausscheidungen getrennt werden. Dadurch entstehen nicht nur weniger Gerüche, auch können sich die Ausscheidungen als Dünger verwenden lassen - oder an speziellen Entsorgungsstellen abgeben werden.

Immer unter Strom

Die zweite wichtige Thematik der Tiny House Versorgung ist die Energiekomponente. Diese ist in mehrerlei Hinsicht nicht zu unterschätzen. Der Kühlschrank muss permanent laufen, der Warmwasser-Boiler soll in Übergangszeiten auch mit Strom betrieben und unser Equipment für Webseite, Blog und Videos von Zeit zu Zeit geladen werden.

Wir statten daher unser Haus mit Photovoltaik-Modulen (PV-Module) mit einer Gesamt-Leistung von bis zu zwei Kilowatt (Spitzenleistung) sowie zwei kleinen vertikalen Windkraftanlagen aus. Während die Module dauerhaft auf dem Dach montiert werden und ggf. aufgeklappt werden können um die Ausrichtung nach Süden zu gewährleisten, müssen die Windkrafträder vor jeder Fahrt entfernt und anschließend erneut aufgesteckt werden. Als Energiespeicher verwenden wir einen Lithium-Ionen-Akku mit 13kWh (Kilowattstunden) Kapazität, welcher einen Kühlschrankbetrieb von ca. 17 Tagen gewährleistet.

Da sich bis zum Zeitpunkt der Bestellung der Energiekomponenten aber noch einige Änderungen ergeben werden, sehen wir die aktuellen Zahlen noch nicht als final an. Die Ausbeute von PV-Modulen bei gleicher Größe ändern sich ständig und Batterien werden günstiger und effektiver. Zudem prüfen wir derzeit die Möglichkeit neben den drei geplanten Modulen (auf dem Dach) weitere vier Module im Haus zu lagern, die bei längerer Standzeit zusätzlichen Strom generieren können. Diese vom Dach getrennte Erzeugung wäre interessant, falls wir im Hochsommer das Tiny House unter einem schattenspendenden Baum parken möchten.

Heizen wir mal richtig ein

Auch wenn für die Heizung, Warmwasser sowie die Kochfläche im Tiny House gerne auf Gas zurückgegriffen wird, wollen wir diese Ressource vermeiden. Gas mag zwar sehr bequem und sicher sein, aber es ist immer noch ein (nicht nachwachsender) fossiler Brennstoff.

Zur Erwärmung unseres Tiny House verwenden wir einen Holzofen, der mit normalem Holz betrieben werden kann und seine Luft von außen ansaugt. An diesem wird sich zudem eine Back-Luke und ein Wärmetauscher befinden.

Wenn wir im Winter das Tiny House heizen, kann die entstehende Wärme auch gleich für ein leckeres Sauerteigbrot oder einen Auflauf genutzt werden. Der anklappbare Wärmetauscher sorgt zeitgleich für die Erhitzung des Wassers im Boiler. Bei kalten bis sehr kalten Temperaturen sorgen kleine Infrarot-Heizungen an der Decke für ein molliges Gefühl. Die Warmwasserbereitung im Boiler kann in Ausnahmefällen zudem auch über Strom erfolgen.

Der Holzofen muss in regelmäßigen Abständen befüllt werden, um nicht zu sehr auszukühlen und gleichzeitig aus dem Tiny House keine Sauna zu machen. Zwei Holzscheite zu viel aufgelegt und wir können auch im tiefsten Winter schwitzen. Die Notwendigkeit eines Ofens für normales Holz und Holz-Pellets wäre aufgrund der geglätteten Wärmekurve also durchaus gegeben. Der Ofen kann so selbstständig (nach Thermostat) heizen, selbst dann, wenn wir einmal für mehrere Stunden nicht zuhause sind. Allerdings ist uns bis jetzt noch kein Ofen inkl. Back-Luke untergekommen, der sowohl mit Pellets als auch normalem Holz zu betreiben ist. Die Suche geht aber weiter.

Der gewünschte Gesprächsteilnehmer hat kein Netz

Gerade für uns ist die Anbindung an die Welt via Internet nicht zu vernachlässigen. Schließlich wollen wir euch stets auf dem neuesten Stand halten, Reiseerlebnisse teilen und neue Videos hochladen. Im Vergleich zu allen anderen Säulen der Tiny House Versorgung ist die Internet- und Telefonanbindung jedoch eine, der wir sehr entspannt entgegenschauen.

Je nach Land werden wir hierzu auf Prepaid-Angebote ansässiger Mobilfunkanbieter zurückgreifen, welche via SIM-Karte über einen LTE-Router im Tiny House die Verbindung zur Welt herstellen.
Gibt es keine passenden Angebote, greifen wir eben auf Offline-Dienste zur Navigation wie z.B. Maps.me zurück oder verbinden den Genuss eines Cappuccinos mit dem (hoffentlich) vorhandenen WLAN im Café.

Von Satellitenempfang für Fernsehen werden wir uns aufgrund terrestrischer Empfangsmöglichkeiten, umfangreicher Mediatheken oder Streaming-Angebote bekannter Anbieter gänzlich verabschieden. Des Weiteren prüfen wir gerade die Notwendigkeit der Anschaffung eines Fernsehers, da wir seit ca. einem Jahr gar keinen mehr haben und dieser Verzicht recht wenig schmerzt.

Tiny House Versorgung - Immer passend zur Situation

Der Zusammenstellung an Komponenten in unserem Tiny House ging natürlich ein langer Planungsprozess und Selbstreflektion voraus. Wir haben uns eingestanden, dass wir nicht den bequemsten Weg gewählt haben um unsere Versorgung sicherzustellen. Möglichweise müssen wir auch einige Male unseren Tagesrhythmus an Sonnenauf- und Sonnenuntergang anpassen, da unsere Akkukapazität nur noch für den Kühlschrank ausreicht. Nicht zu wissen, wann der Akku wieder geladen wird, kann einem schon die Schweißperlen auf die Stirn treiben. Oder wir müssen eine Möglichkeit finden, Trinkwasser aufzufüllen, da es bereits seit Wochen nicht geregnet hat. Denn ohne Wasser geht es einfach nicht.

Vorausschauend haben wir die Tiny House Versorgung an unsere Lebensweise angepasst. Als Rohköstler bleibt der Herd meist kalt, naturverbunden bewegen wir uns auf unseren Reisen meist außerhalb des Hauses und dicke Socken haben schon immer gegen kalte Füße geholfen.

Fest steht auf jeden Fall eines: Nämlich, dass wir uns mit unserem Tiny House arrangieren werden. Der Verbrauch muss je nach Situation angepasst werden. Vorausschauende Planung nach Wind und Sonne wird für den wöchentlichen Ablauf im Tiny House notwendig werden. Wir können schließlich nur die Mengen an Strom verwenden, die in darauffolgenden Tagen wieder aufgeladen werden können.

Nur die Phantasie setzt Grenzen

Auf unserer Suche nach Lösungen (u.a. bei anderen Tiny Houses) haben wir konventionelle, regenerative und außergewöhnliche Ansätze kennengelernt. Eine der besonderen Ideen war ein umgewandelter Fahrrad-Heimtrainer, der bei Benutzung den Akku im Tiny House auflädt. Gefühlt gibt es in der Vielzahl der Tiny Houses keine Lösung, die nicht existiert. In die (global) geführten Diskussionen haben es auch schon Brennstoffzellen und Blockheizkraftwerke geschafft.

Da die Entwicklung und Adaptionen rund um das Thema Tiny House und dessen Versorgung niemals stillstehen werden, hätten wir noch ewig auf neue Methoden warten können. Aber irgendwann müssen wir anfangen und das Tiny House bauen. Daher haben wir die oben aufgeführten Versorgungsvarianten für uns gewählt und als derzeit Gültige festgelegt. Was jedoch nicht bedeutet, dass sich bis zum Einzug nicht noch einiges ändern kann. Wir sind und bleiben auf jeden Fall gespannt.

Im nächsten Beitrag erfahrt ihr welchen Einfluss die mobile Nutzung unseres Tiny House auf die Planung hatte, weshalb wir Kompromisse eingehen mussten, aber deswegen (hoffentlich) sicher auf der Straße unterwegs sind.

Bis zum nächsten Mal.

Marco & Jenny


Bildnachweise

  1. Titelbild: Tiny House Tour
  2. Solarpanel: Tiny House Tour
  3. Wasserhahn: Bild von Karolina Grabowska auf Pixabay
  4. Straße ins Nichts: Tiny House Tour
  5. Wasserglas: Bild von rawpixel auf Pixabay
  6. Duschkopf: Bild von tookapic auf Pixabay
  7. Abfluss: Bild von Semevent auf Pixabay
  8. Schild "Composting Toilet": Bild von Andrew Martin auf Pixabay
  9. Toilettenhäuschen: Bild von kerttu auf Pixabay
  10. Komposterde: Bild von Jing auf Pixabay
  11. Batterie: Bild von jpj2000nl auf Pixabay
  12. Sicherung: Bild von Turmfalke auf Pixabay
  13. Windkraftanlage: Bild von fxxu auf Pixabay
  14. Leerer Akku: Bild von Christoph Schütz auf Pixabay
  15. Sand aus Wasserhahn: Bild von Steve Buissinne auf Pixabay
  16. Baum über Straße: Bild von Markus Distelrath auf Pixabay

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