Marco und das Projekt Tiny House

Wenn ich (Jenny) heute auf mich selbst zurückblicken würde und mich aus der Vogelperspektive betrachten könnte, so hat sich doch Vieles getan – von innen und von außen. Ich erlaube mir das gleiche von Marcos Seite zu behaupten. Marco und ich sind aus unterschiedlichen Motivationen, die immer wieder Parallelen finden, zum Tiny House - Wunsch gekommen. Diese Geschichte handelt von dem Weg, den Marco auf allen Ebenen, bis heute zurückgelegt hat.

Was geblieben ist, ist der Wandel

Fängt der Mensch an, über so Themen wie etwa Konsum, Besitz und Ernährung tiefer nachzudenken, so unser Eindruck, dann kann es passieren, dass er schnell merken wird, welches Verhalten seines bisherigen Lebens unter Umständen weniger gut für verschiedene Ebenen seines fortführenden Lebensweges und seiner Umwelt waren/sind. Er wird plötzlich an einem Scheideweg stehen: will er die neugewonnenen Kenntnisse und seine möglicherweise veränderte Einstellung daraus in die Praxis adaptieren? Oder hat er sich zwar neues Wissen angeeignet, kann das aber aus verschiedensten Zwängen (meistens denken wir gesellschaftliche Zwänge zu erkennen) nicht anwenden. Man sagt zwar Wissen verpflichtet, doch scheint das Unterdrücken bei der Mehrzahl der Menschen - unseres Erachtens nach - an der Tagesordnung zu sein.

Würde man sich allerdings einem oder mehreren dieser Themen annehmen und möchte diese auch praktizieren, würde das für die Gegenwart und Zukunft die komplette Umstellung dagewesener Gewohnheiten bedeuten. Die Kosten hierfür können zumeist in Zeiteinheiten berechnet werden. Die Investition dafür ist vielen Menschen (leider) zu hoch.

Vom reduzierten Wohnraum – Marcos Geschichte

Ich spreche in Rätseln? Okay, ich versuche Licht ins Dunkle zu bringen. Was will ich also sagen? Zunächst möchte ich euch beschreiben, welcher Prozess zum Projekt Tiny House hinter jedem Einzelnen von uns liegt. Unsere Sichtweise auf verschiedenste Themen hat sich geändert.

Noch Ende 2016 hatte Marco eine 80m²-Wohnung für sich alleine.  Zwar waren die Umstände günstig, denn er war damals (wie heute auch noch) im Außendienst, was ihn unabhängiger von speziellen Ballungsräumen macht. Wenn er nicht gerade beim Kunden ist, konnte und kann er von daheim arbeiten und wo das ist bzw. liegt, war den Arbeitgebern zum Glück bisher egal gewesen. Nun trafen wir 2015 aufeinander, verliebten uns und Marco entschied sich sehr zeitnah dazu, zu mir nach Leipzig in eine knapp 63 m² große oder kleine Wohnung (wie immer ist die Perspektive ausschlaggebend) zu ziehen.

Für Marco brach zunächst tatsächlich eine Welt zusammen, denn für ihn hat das Verlassen seiner gerade einmal für zwei Jahre und zwei Monaten bewohnten Wohnung in Netzschkau (im Vogtland) bedeutet, dass er seine private Komfortzone verlassen musste.

Auch das schönste WG-Leben hat einmal ein Ende

Nachdem es sich für ihn in der recht großen Junggesellenwohnung in Netzschkau das erste Mal, nach einer längeren vorangegangen WG-Zeit in Passau, wie in einem richtigen Zuhause angefühlt hat; halt so wie das erste Mal angekommen sein. Sollte das alsbald auch schon wieder vorbei sein. Manche von euch kennen sicher das Gefühl in dem Moment, wenn sie irgendwann aus einer Wohngemeinschaft im Rahmen des Studiums oder z.B. der Ausbildung ausziehen und die ersten eigenen vier Wände beziehen können. So ein Gefühl muss Marco überkommen sein.

Jederzeit zur Flucht bereit – von Passau nach Netzschkau

Während der Übergangsphase in Passau hat Marco sehr viel aus dem Koffer gelebt. Sinnbildlich hätte er zu dieser Zeit jeden Tag seine sieben Sachen in besagten Koffer packen können und wäre von dort weg gewesen. In der Wohnung hatte dann nach geraumer Zeit plötzlich sogar ein geräumiger Kleiderschrank in einem extra Ankleidungszimmer Platz gefunden. Für Marco ist dieser Kleiderschrank, nebst anderen Inventars, das Symbol für die erste wirkliche Bindung an diesen Ort gewesen. Außerdem reifen Pläne in Marcos Kopf oft lange, bis sie - etwa die Wohnung betreffend - erst nach mehrmaligen Abwegen tatsächlich zur Realität werden. So hat es circa ein Jahr gedauert, bis die Wohnung in Netzschkau tatsächlich so möbliert war, dass sie zu einem, seinem gefühlten Zuhause wurde.

Renn Marco, renn – von Netzschkau nach Leipzig

Noch nicht einmal richtig Luft geholt und rundum sesshaft geworden, sollte er circa ein Jahr später bereits wieder die Beine in die Hände nehmen und „davonrennen“. Obwohl er merkte, dass er dort mental eigentlich gar nicht weg wollte, war die Liebe zu mir dann aber (glücklicherweise :)) doch Antrieb genug, diesen Schritt zu gehen. Wie schwer es ihm wirklich fiel, reflektiert er mir gerade auf einer Autofahrt in die Südtiroler Alpen, nachdem ich wieder einmal tiefer nachhake, als ihm oftmals recht ist.

„Weißt du Jenny, obwohl mein Mietvertrag zu Ende Dezember 2016 gekündigt war, zog ich erst zwei Wochen später aus. Dieser Prozess war schwer für mich. Ständig schob ich Sachen von A nach B und wieder zurück, nur um Zeit zu gewinnen und den Auszug zu verdrängen. Glücklicherweise hatte mein Vermieter großes Verständnis für diese Situation und ließ mich das Zeitfenster überziehen. Reflektiere ich jetzt diesen Prozess des Loslassens, dann wollte ich einfach das Unvermeidbare herauszögern. Schließlich gibt der Mensch oft ungern etwas dort auf, wo er sich wohlfühlt. Wenn ich in meiner Wohnung in Netzschkau zum Schlafen das Fenster offen hatte, war Ruhe. Ich konnte mich zurücklehnen und auch die Nähe zu meinen Freunden in der Heimat, die dieser größtenteils bis heute treu geblieben sind, war gegeben. Dieser Bezugspunkte beraubte ich mich selbst wieder. Jetzt durch den Planungsprozess des Tiny Houses, habe ich wieder das Gefühl, dass ich mir so einen Wohlfühl- und Bezugsort wieder schaffen kann.“

Geimpft: Nachhaltiges Denken in den Zellen

Das Ereignis um den Kleiderschrank visualisiert für Marco letztlich das Vorhaben länger an entsprechendem Ort zu verweilen und gilt als Symbol für den Umstand, dass er sich theoretisch jetzt zurücklehnen kann. Leider: Plan ohne die Liebe gemacht!
Der lange Prozess der bis zur Aktion – dem Kauf des Schrankes – hinter ihm lag, wiederspiegelt auch sein damals schon existentes nachhaltiges Denken. Nichts desto trotz bedurfte es zur Erhaltung unserer florierenden und lebendigen Beziehung eben das Verlassen dieser Komfortzone, denn unserer frischen, jungen Liebe tat es gut, in der gleichen Stadt zu sein.
Seit 2017 leben wir jetzt gemeinsam hier in Leipzig, Marco hat seine Lieblingscafés zum Arbeiten gefunden und wir uns in der Wohnung arrangiert. Jedoch ist uns klar, dass diese Lösung nur eine auf Zeit ist. Und die Bombe tickt …

Beim Lasertag

Neuer Ansporn durch eigenes Projekt „Tiny House“

Da wir am 24. September 2018 beginnen wollen, unser kleines Zuhause auf Rädern zum Leben zu erwecken, ist es die Motivation, die Marco als „Flucht nach vorn“ beschreibt, die ihn auch in der Planungsphase schon antreibt. Die konkreten Umsetzungs-Vorbereitungen, die Marco größtenteils mit dem Konstruktions- und Zeichenprogramm Sketchup vorgenommen hat, laufen schon lange. Wann er konkret die ersten Schritte mit dem Programm gemacht hat, können wir beide gar nicht mehr nachvollziehen.

Den ersten Impuls zum Thema habe ich (Jenny) gesetzt. Als ich im Februar 2016 in der Sächsischen Schweiz wandern wollte und über Couchsurfing nach Unterkünften gesucht habe, bin ich auf Beatrix Beyer in Großharthau-Bühlau gestoßen, die mich damals auch sehr lieb für ein Wochenende bei sich aufgenommen hat. Durch unsere Unterhaltung über verschiedenste Themen, kamen wir auch auf eine Ihrer Töchter und dann auch auf Tiny Häuser. Besonders eine ihrer Töchter interessierte sich damals schon für das Thema. Zurück daheim zeiget ich kurze Zeit später Marco ein Bild eines Tiny Hauses. Die Vorstellung packte ihn sogleich. „Ich dachte mir: Toll! Man hat alles beieinander, auf kleinster Fläche und doch alles was man braucht. Es ist ein äußerst kompaktes Wohnformat. Darüber hinaus schaffte es die Idee, ein Tiny Haus auf einem Trailer zu bauen schnell, mir eine Illusion für Freiheit und Unabhängigkeit zu schaffen. Und plötzlich reifte der Plan nach einem neuen Zuhause für mich immer mehr,“ reflektiert Marco.

Mit mir hatte er die Partnerin gefunden, die sich vorstellen konnte mit ihm gemeinsam einen solchen Wohlfühlort zu kreieren, durch den man nicht mehr darüber nachdenken muss, wann man wieder wegziehen soll/kann/müsste. Da Marco ohnehin schon minimalistischer unterwegs war, als andere Menschen, hat sich die zeitnahe Umsetzung ohnehin angeboten.

Wer wünscht sich in unserer Zeit denn keinen ausgefeilten Fluchtplan aus dieser immer stressiger werdenden Welt? Außerdem vereint ein Tiny Haus so Komponenten wie: Partner, Familie; Wohnraum mit eigener Tür, die man schließen kann, wann immer man möchte und eine möglichst natürliche Umgebung, die Vertrauen schafft.

Der Plan steht... und wir halten daran fest!


Bildnachweise

Alle Bilder: Tiny House Tour