Tiny House mobil nutzen? Das müssen wir gegenüber stationärer Planung beachten

20. Februar 2019Marco Schaller

Eines der besonderen Merkmale eines Tiny House ist neben der geringen Größe im Vergleich zu klassischen Häusern auch das geringe Gewicht, wodurch die gesamte Konstruktion auf einen Anhänger (Trailer) montiert werden kann. Dadurch ist man ungebunden in der Wahl seines Standortes und mit dem eigenen Tiny House mobil. Gleichzeitig eröffnet diese Art der neuen Mobilität aber auch viel Raum für Fehler, die schon in der Planung beachtet werden müssen.

Nachdem wir im letzten Beitrag die Versorgung im Tiny House mit Wasser, Strom und Wärme erklärt und festgelegt haben, werfen wir diesmal einen Blick auf die mobile Ausrichtung unseres Domizils. Schließlich gibt es für das sichere Bewegen im Straßenverkehr einige wichtige Punkte, die bereits in der Planung beachtet werden müssen.

Das Tiny House mobil genutzt – Klassischer Wohnwagen in neuer Form

Die Betrachtung des Tiny House im Vergleich mit einem Wohnwagen enthält bereits unglaublich viel Potential für korrekte Planung und den richtigen Bauprozess. Und das nicht nur, weil wir unser Tiny House mobil nutzen und es deshalb als Wohnwagen zulassen wollen. Grundsätzlich kann man bei Planung und Bau alle wichtigen Punkte beachten, die auch für einen Wohnwagen (Caravan) gelten.

In unserem Fall werden sehr viele Kilometer zurückgelegt und das Tiny House soll dabei immer souverän auf der Straße liegen. Gleich ob starke (Seiten-)Winde herrschen, die Straßenverhältnisse zu wünschen übriglassen oder starke Steigungen und Gefälle unseren Weg begleiten. Lässt sich das Tiny House sicher und ohne plötzliche Überraschungen bewegen, vermeiden wir gefährliche Situationen für uns und andere Verkehrsteilnehmer. Und bei einem kalkulierten Zuggesamtgewicht (Tiny House und Zugfahrzeug) von ca. 6,5 Tonnen möchte ich jegliche Überraschungen während der Fahrt auf ein Minimum reduzieren.

Eine wichtige Voraussetzung für eine ereignislose Fahrt im Straßenverkehr ist die Wahl des richtigen Anhängers. Dieser Unterbau für unser mobiles Tiny House wird ein Modell von VLEMMIX mit Tandem-Achse (zwei Achsen unmittelbar nacheinander) werden. Die Vorteile liegen für uns in der besseren Spurtreue, Kontrollierbarkeit und dem ruhigeren Nachlauf.

Das zulässige Gewicht korrekt verteilt

Eine der wichtigsten Faktoren zur Einflussnahme der Fahrstabilität ist das Gewicht des Tiny House sowie dessen korrekte Verteilung. Wie im nachfolgenden Video des ADAC zu sehen, kann die falsche Beladung oder Gewichtsverteilung fatale Folgen haben. Das Gespann wird instabil, fängt an zu schlingern und wird im schlimmsten Fall unkontrollierbar.

Um einen solchen Vorfall zu vermeiden und Schlingerbewegungen zu reduzieren, sind verschiedene Punkte zu beachten. Wie in einem Wohnwagen konzentrieren wir daher die Schwerpunkte über der Achse und punktuell in Richtung Deichsel. Das betrifft die Akkus für die Stromversorgung, den Holzofen, die Waschmaschine sowie den Kühlschrank. Eine heckseitige Belastung durch schwere Gegenstände versuchen wir tunlichst zu vermeiden.

Langsam, aber sicher ans Ziel

Die maximale Geschwindigkeit für das Tiny House sollte unbedingt eingehalten werden. Mit jedem zusätzlichem Kilometer pro Stunde steigt auch das Schlingerrisiko deutlich an. Es gibt zwar mittlerweile verschiedene Sicherheitssysteme die den kritischen Moment des Schlingerns in höhere Geschwindigkeiten verschieben. Vollkommen aufheben lässt sich die Physik jedoch nicht.
Auch die maximal mögliche Stützlast der Deichsel von 140 kg wird ausgenutzt. Somit liegt das Gespann stabiler und das Tiny House hinter dem Zugfahrzeug ruhiger.

Je mobiler, desto planungsintensiver

Aufgrund der mobilen Ausrichtung unseres Tiny House mussten die wichtigsten Punkte wie Gewicht, Schwerpunktverteilung und Stützlast unbedingt im Auge behalten werden. Wir wollen Experimente oder gar unangenehme Überraschungen mit Länge, Breite und Gewicht aufgrund vorhandener Regelungen und weltweitem Transit vermeiden. Stressreduktion beim Betrieb im Straßenverkehr steht ganz oben auf der Agenda. Aber auch Reduzierung der Transportkosten im Sinne der Vermeidung von Gebühren für Überbreite. Und mit unserem Tiny House werden wir sicher oft genug von der Polizei angehalten und dürfen Rede und Antwort stehen.

Für die genaue Überwachung o.g. Punkte bei gleichzeitiger Reduzierung des Arbeitsaufwandes haben wir eine selbstrechnende Excel-Liste entworfen. Diese stellen wir in einem eigenen Artikel vor. Zudem wird die Vorlage zum Download angeboten.

Die Zulassungsfrage frühzeitig klären

Ist das Tiny House mit stabilen (Bügel-)Schrauben am Anhänger befestigt, darf es durch zwei verschiedene Freigaben im Straßenverkehr bewegt werden. Einerseits kann man sich diese Art der Befestigung als Ladungssicherung von TÜV oder DEKRA bescheinigen lassen. Dabei umgeht man die notwendigen und gesetzlich vorgeschriebenen Spanngurte (zum Transport der Ladung). Oder man wählt den international anerkannteren Weg einer Wohnwagenzulassung. Ausschließlich letzteres kam für uns in Frage und dafür mussten einige Vorbereitungen getroffen werden.

Schließlich musste zuerst ein Sachverständiger o.g. Institutionen gefunden werden, der sich des Projektes annimmt und seine Freigabe erteilt. Nicht jeder ist von solch einem Projekt sofort angetan. Noch weniger haben die Prüfung einer Wohnwagenzulassung bei einem „Holzhaus auf Rädern“ bis dato durchgeführt. Nach mehreren Wochen des Vorsprechens trafen wir schließlich auf einen willigen Sachverständigen, der uns bei dem Vorhaben unterstützen wollte. Es fiel uns ein Stein vom Herzen. Endlich konnte es mit der Planung weitergehen.

Bei den Folgegesprächen kam zudem ein wichtiger Punkt auf den Tisch – die Verglasung der Fenster. Unser Ansprechpartner verlangte, dass alle Glasscheiben im Tiny House eine Freigabe nach Straßenverkehrsnorm haben. Es handelt sich dabei zwar „nur“ um Sicherheitsglas mit einem Stempel wie man ihn auf Autoscheiben findet. Aber unsere Suche nach den passenden Fenstern war eine Odysee.

Multifunktionelles Interieur auf mobile Nutzung optimiert

Bei der Innenraumgestaltung werden wir die klassischen Denkmuster aufbrechen und mögliches Interieur an das Tiny House anpassen. Jedes Möbelstück soll bestenfalls mehrere Funktionen übernehmen. Ein Couchtisch kann somit zum Esstisch umfunktioniert werden und erweitert bei Bedarf die Ablageflächen der Küche. Um das Rad nicht komplett neu zu erfinden, können wir uns auf zahlreichen Seiten wie Pinterest Inspirationen holen. Diese werden natürlich auf unser Tiny House adaptiert. Besondern beeindruckt hat uns die Idee eines flachen Schreibtisches, der unauffällig an der Wand verschwindet.

Aber auch multifunktionelle Ausstattung ist für unser Tiny House notwendig. Schließlich haben wir, bauartbedingt, wenig Platz zur Verfügung und müssen diesen optimal nutzen. Wir planen unser Tiny House mobil, das Interieur und Mobiliar jedoch überwiegend ortsgebunden (am jeweiligen Platz im Tiny House). Wir möchten einfach vermeiden, dass Geräte oder Möbelstücke vor jedem Transport in das Zugfahrzeug ausgelagert werden müssen.

Auch beim Inventar, größtenteils der Kücheneinrichtung, müssen wir neue Wege gehen. Unser bisheriges Sammelsurium aus Glasbehältern für Getreide, Gewürze und Nahrungsmittel ist zu schwer für das Tiny House und muss durch BPA-freie Hartplastik-Behälter ersetzt werden. Töpfe, Pfannen und Frischhalteboxen müssen platzsparend stapelbar sein und unser 12-teiliges Geschirrservice wird auf sechs Teile reduziert.

 

Sicherheitsgurte für Teller oder Tassen gibt es noch nicht

Neben praktischen Lösungen mussten wir aber auch sicherheitstechnische Aspekte in die Planung einbeziehen. Wir möchten schließlich nicht, dass bei Fahrten über kurvige Landstraßen oder holprige Autobahnen, der Inhalt sämtlicher Schubladen im Tiny House verteilt wird. Auch schwere Gegenstände wie Kühlschrank und Holzofen müssen plötzlichen Ausweichmanövern widerstehen können. Spezielle Sicherungssysteme für Schubläden und anderes Inventar sind daher Pflicht.

Auch die Vorbereitungszeit vom Stand bis zur Abfahrt fließt in die Überlegungen ein. Je schneller wir das Tiny House straßenfertig machen können, desto mehr können wir von der Welt sehen. Das heißt im Klartext, dass wir unsere Checkliste für den Transport schnellstmöglich abhaken können müssen: Wasser abdrehen, Schreibtisch und Esstisch einklappen, Schubladen sichern, Tiny House ankoppeln und los geht’s. Gerade die Planung des Schornsteins wird durch diese Überlegungen beeinflusst. Da wir diesen nicht permanent ab- und anmontieren wollen, muss er klein sein und auf der Dachschräge angebracht werden. Positioniert hinter der Gaube des Schlafzimmers, steht er somit nicht direkt im Fahrtwind.

Wie soll das Tiny House bewegt werden?

Für größtmögliche Flexibilität, also unabhängig von Transportunternehmen oder Fremdpersonen, wird unser Tiny House durch ein eigenes Fahrzeug gezogen. Durch die Vielfalt wichtiger fahrzeugspezifischer Kennzahlen wie Drehmoment, Anhängelast und Zuggesamtgewicht fällt die Auswahl nicht leicht. Zudem legen wir großen Wert auf einen zuverlässigen Dauerläufer, der uns auch in der sibirischen Tundra nicht im Stich lässt. Wir gehen im Beitrag „Das perfekte Zugfahrzeug“ finden“ auf diese umfangreiche Thematik detailliert ein und listen potentielle Kandidaten auf.

Um mit dem Tiny House mobil sein zu können, müssen wir auch noch einmal die Fahrschul-Bank drücken. Ein normaler Führerschein der Klasse B reicht für die Fahrt mit Tiny nach Fahrerlaubnis-Verordnung nicht mehr aus. Wer jetzt aber glaubt, dass man wie bei dem Erwerb eines normalen PKW-Führerscheins sehr viel Zeit (für Theorie- und Praxisunterricht) sowie Geld investieren müsste, der irrt. Marco’s Erlebnis mit der Fahrschule Hummel war ein deutlich Erfreulicheres.

Viele Fahrzeuge haben bereits umfangreiche Navigationssysteme an Bord, aber leider keine Möglichkeit, eine Strecke unter Beachtung der Höhe oder Breite des Gespanns zu berechnen. Für die Routenberechnung während der Reise werden wir daher auf spezielle Navigations-Apps für den LKW-Betrieb zurückgreifen und diese noch einem späteren ausführlichen Test unterziehen. Es erscheint uns sinnvoller, eine Straße zu vermeiden, anstatt vor einer zu flachen Brücke zu wenden und den nachfolgenden Verkehr zu blockieren.

Standortunabhängig mit Strom und Wasser versorgt

Da unser Tiny House mobil geplant ist, soll es, trotz Zulassung als Wohnwagen, nicht auf Camping-Plätze angewiesen sein. Die Möglichkeit an jedem Ort stehen zu können, falls erlaubt, macht ja gerade den Reiz aus. Dafür müssen wir uns aber auch autark mit Wasser und Strom versorgen können.

Die Stromversorgung erfolgt durch einen Lithium-Ionen-Akku, welcher durch Solarpanel und Windkraftanlagen am Tiny House wieder aufgeladen wird. Großzügig dimensioniert soll unsere Inselanlage den Kühlschrank für zwei Wochen mit Strom versorgen können, auch wenn kein Lüftchen weht und Wolken den Himmel verdunkeln. Gleichzeitig soll aber auch die Möglichkeit gegeben sein, den Akku extern laden zu können. Entweder via Netzanschluss oder praktischem Fahrraddynamo. Für Planung und spätere Montage des kompletten Netzes werden wir einen Experten zurate ziehen.

Während Energie durch erneuerbaren Ressourcen in Form von Wind und Sonne produziert wird, müssen wir bei der Wasserversorgung anders verfahren. Ein Trinkwassertank wird aufgefüllt und das verbrauchte Wasser an Bord mittels eines Filtersystems gereinigt und aufbereitet. Anschließend kann dieses wieder genutzt werden. Verluste werden durch Auffüllen des Wassertanks mit Frischwasser oder durch Auffangen und Reinigen von Regenwasser ausgeglichen. Die Planung der autarken Wasserversorgung hat uns ganz schön Nerven gekostet.

Der Füllstand des Wassertanks wirkt sich, anders als bei einem Akku, aber auf das Gewicht des Tiny House aus. Bei der auszuwählenden Größe muss daher zwischen Gewicht, Bequemlichkeit und Praktikabilität vermittelt werden. Für längere Aufenthalte an einem Standort steht auch diesem System ein Wasser- und Abwasseranschluss zur Verfügung.

Mobile Planung ist ein Zeitfresser - aber notwendig!

Viele der oben aufgeführten Punkte hatten wir bei den ersten Überlegungen zum Tiny House noch gar nicht auf dem Schirm. Diese kamen nach und nach im Zuge der Planung auf. Umso wichtiger war es für uns dann, eine Übersicht zur Beachtung der mobilen Nutzung zu erstellen.

All diese Aspekte wirken sich schließlich auf unsere Tour aus – aber dann bestenfalls im positiven Sinne.

Bis zum nächsten Mal.

Marco & Jenny


Bildnachweise

  1. Titelbild: Tiny House Tour
  2. Pickup mit Anhänger: Tiny House Tour
  3. Video "Richtige Beladung bei Caravan-Gespannen": ADAC auf YouTube
  4. Überladenes Auto: Bild von Luisao Pepe auf Pixabay
  5. Wohnwagen (Airstream): Bild von RENE RAUSCHENBERGER auf Pixabay
  6. Platter Reifen: Bild von Christine Schmidt auf Pixabay
  7. Spanngurte: Bild von Hans Braxmeier auf Pixabay
  8. Stempel auf Seitenscheibe KFZ: Tiny House Tour
  9. Achsvermessung: Bild von Jens P. Raak auf Pixabay
  10. Zimmereinrichtung: Bild von StockSnap auf Pixabay
  11. Geschirr: Bild von ally j auf Pixabay
  12. Gewürzgläser: Bild von monicore auf Pixabay
  13. Checkliste: Bild von TeroVesalainen auf Pixabay
  14. Schloss an Holzwand: Bild von Linus Schütz auf Pixabay
  15. Stoppuhr: Bild von Free-Photos auf Pixabay
  16. Geländewagen am Strand: Bild von Christo Anestev auf Pixabay
  17. Kombi mit Anhänger: Tiny House Tour
  18. Führerschein: Tiny House Tour
  19. Navigation auf Smartphone: Bild von Dariusz Sankowski auf Pixabay
  20. Überdachte Brücke: Bild von William Sturgell auf Pixabay
  21. Höhenbegrenzung: Bild von OpenIcons auf Pixabay
  22. Wohnwagenplatz: Bild von Kevin Phillips auf Pixabay
  23. Rostige Elektro-Installation: Bild von Daniel Teich auf Pixabay
  24. Zinkwanne mit Wasser: Bild von Heinz Hummel auf Pixabay

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