Tiny House Dachstuhl – Teil 2 – So muss ein Dach aussehen
Was kann es schöneres geben, als sein eigenes Projekt wachsen und gedeihen zu sehen. Und gewachsen ist es auf jeden Fall, nämlich in die Höhe. Wir hatten ja im letzten Beitrag über den Beginn des Baus am Tiny House Dachstuhl geschrieben. Dieser ging auch zügig voran, bis… ja, bis ich meinen kleinen Fehler bemerkte, der sich erst beim Zusammenbau der einzelnen Dachkomponenten zeigte. Drehen wir die Uhren ein Stück zurück.
Welch riesiger Aufwand für einen Tiny House Dachstuhl
Haben wir am Anfang noch viel Zeit für die Vorbereitungen der einzelnen Dachstücken (Sparren, Firstbalkenverbund und Krüppelwalm) investieren müssen, ging es anschließend sehr schnell nach draußen. Das Tiny House musste für den weiteren Baufortschritt nämlich an die frische Luft und wechselte damit seinen Stellplatz. Nur dadurch konnten wir weiter in die Höhe wachsen.
Nach dem Manöver des Umparkens in der kleinen Straße hinter Jans Werkstatt gingen die Bauarbeiten am Dach voran. Sparren wurden befestigt, der Firstbalkenverbund eingesetzt und alle Teile miteinander verschraubt. Dann kam der Krüppelwalm an die Reihe. Womit wir auch schon bei dem eingangs angesprochenen Fehler wären. Was war passiert?
Wer viel misst, misst Mist
Wir hatten das Grundgerüst für den Krüppelwalm-Abschnitt bereits vorgefertigt. Dieser bestand aus zwei Sparren, welche mit einem Balken verbunden waren. Auf die vordere und hintere Wand gesetzt, bildeten diese beiden Gerüste zum einen den Wandabschluss nach oben, aber auch gleichzeitig den Übergang ins Dach, welcher weitere anzubringende Balken stützen soll.
Das Problem entdeckten wir jedoch, als wir dieses Grundgerüst aufsetzten. Also eigentlich schaute Jan die Konstruktion an, lachte, schaute zu mir, erkannte meinen ahnungslosen Gesichtsausdruck, lenkte meinen Blick auf die seitlichen unteren Enden der Sparren und fragte, „was ich denn da gemessen hätte?“.
Was ich gemessen hätte? Also Irgendetwas hatte ich schon gemessen – nur leider nicht das Richtige. Die seitlichen Sparren waren zu kurz. Wie konnte denn das passieren?
Schuld waren von mir an Jan falsch durchgegebene Winkel, die die Sparren am unteren Ende, also im Übergangsbereich von Wand auf Dach haben sollten. Normalerweise misst man den Winkel von der ebenen Fläche in die Schräge. Das ergibt, bei allen anderen Sparren, einen Winkel von 49°. Misst man allerdings von der vertikalen Ebene in die Schräge ergeben sich nur 41°.
Warum ich an dieser Stelle die falschen Werte aus unserer SketchUp-Skizze übertragen hatte, bleibt ein Rätsel. Noch seltsamer war, das die Werte aller anderen Sparren stimmten. Durch die verdrehten Werte lagen die Sparren also nicht auf, sondern ragten über das Haus hinaus. Man könnte die Balken jetzt zwar um die fehlenden 8° nach unten biegen, aber wo soll das hinführen? Wir wollten schließlich kein Hundertwasser-Haus bauen.
Beim zweiten Mal klappt es
Jan musste sich jetzt also ein zweites Mal an die Fertigung machen und das dauerte. War der Zeitplan bisher höchst optimistisch gehalten, hat dieser Ausrutscher eine Punktladung vielleicht sogar unmöglich gemacht. Jans Aussage, dass wir „bestimmt einen halben Tag zugeben müssen“, sorgt erst einmal für einen kurzen depressiven Moment am Bau.
Zum Glück heitert Jan mit lustigen Sprüchen während des Baus die Stimmung wieder etwas auf und nachdem die neuen Werkstücke für die Krüppelwalme konstruiert sind, stürzen wir uns wieder in die Arbeit. Zunächst wollen wir natürlich prüfen, ob die Arbeit diesmal Früchte trägt. Und das tut sie. Die gefertigten Teile passen optimal an ihre vorherbestimmten Positionen.
Der Tiny House Dachstuhl bekommt seine Gauben
Wir werden später zwar acht Fenster in der Loftebene haben, aber strenggenommen sind es trotzdem nur zwei Gauben – eine kurze auf der Beifahrerseite und eine lange auf der Fahrerseite. Für die Konstruktion derselben braucht es jeweils zwei Längsbalken (je einer über und unter dem Fenster). Der Obere hat die Maße 80x40mm (weiß im Bild), der Untere ist mit 80x60mm (gelb) etwas stärker, da auf diesem mehr Last liegt.
Dann wären da noch die kleinen Stempel, die sich zwischen den späteren Fenstern befinden. Diese sind 80x40mm, bis auf den Stempel, der auf einer Höhe mit der späteren Schlafzimmerwand liegen wird. Dieser wird in 80x60mm gefertigt. Und natürlich die Gaubensparren, damit darauf später die Dachdeckung befestigt werden kann. Die meisten Hölzer sind auch hier 80x40mm stark, Ausnahmen sind dort zu finden, wo sich breitere Stempel darunter befinden werden. Also auf Höhe der Schlafzimmerwand und natürlich in den Ecken.
Haben wir bei den Sparren noch jeden Einschnitt für den Firstbalkenverbund einzeln herausgesägt, will Jan das bei den 14 zu fertigenden Gaubensparren anders handhaben. Zunächst werden alle Sparren auf das gleiche Maß gekürzt, damit die Hölzer wirklich identisch sind. An einem Musterstück wird jetzt die benötigte Aussparung angezeichnet, damit die Sparren später perfekt auf dem oberen Gaubenbalken (über den Fenstern) aufliegen. Das Dach auf den Gauben soll eine Neigung von 20° bekommen, damit Regen gut abfließen kann.
Nachdem das Musterstück entsprechend markiert ist, werden die Gaubensparren(-rohlinge) in Reihe auf zwei Holzböcke gelegt und mit mehreren Schraubzwingen befestigt, damit sich diese in keine Richtung mehr verschieben können. Und dann holt Jan ein spezielles Werkzeug heraus.
Jetzt kommen die großen Geschütze zum Einsatz
Zum Vorschein kommt eine Holzfräse, die an einer Führungsschiene geschoben, aus allen Gaubensparren ein Stück Holz herausfräsen wird. Anschließend sind die Ausschnitte also an allen Balken identisch. Damit das klappt, muss die Fräse am ersten Balken exakt auf den richtigen Winkel und die Tiefe eingestellt werden. Und dann geht es los!
Vom ohrenbetäubenden Lärm einmal abgesehen, habe ich das Gefühl in einem Schneesturm zu stehen, wenn man die Menge an Spänen betrachtet, die diese Maschine in Sekunden auswirft. Die Vorbereitungszeit, die das Aufreihen der Balken gekostet hat, spielen wir dadurch aber um ein Vielfaches wieder ein. Nicht zu vergessen natürlich, dass alle Balken komplett identisch sind. So eine Genauigkeit bekommt man sonst höchstens bei Metall hin.
Die einzelnen Sparren müssen jetzt an beiden Enden nur noch entsprechend schräg abgesägt werden (auf 20°) und dann kann es auch schon an die Montage der Gauben gehen. Der Bau geht aufgrund der guten Vorbereitung sehr locker von der Hand. Ich zeichne die Positionen der einzelnen Sparren an, Jan schraubt sie entsprechend fest. Und Jenny? Die sitzt auf Höhe des Tiny House Dachstuhls, genauer gesagt im späteren Schlafzimmer-Loft, und freut sich, dass sie bald beim Aufstehen einen Blick in die Natur erleben kann.
Die Details am Tiny House Dachstuhl
Da der Bau der eigentlichen Krüppelwalme noch einmal viel Zeit in Anspruch nehmen wird, der Tag sich aber bereits dem Ende entgegenneigt, verschieben wir diese Herausforderung und kümmern uns stattdessen um drei wichtige Details.
- Zuerst müssen wir die Stempel in den Gauben installieren. Also die Hölzer, welche später senkrecht zwischen den Fenstern verlaufen. Schließlich müssen die Fensterrahmen auch irgendwo verschraubt werden. Wieder müssen wir exakt messen und am oberen und unteren Ende anzeichnen, da wir ja keine Wasserwaage anlegen können. Gemessen wird vom Rand der jeweiligen Gaube aus.
- Danach müssen zwei weitere Stempel für die Schlafzimmerwand installiert werden. Diese bilden dann den Rahmen für die spätere Schlafzimmertür.
- Und zu guter Letzt müssen wir noch die Sparren unterhalb der Gauben installieren. Die sind in Neigung und auch in den Durchmessern mit den normalen Sparren identisch, aber die Länge ist anders. Diese Teile sind nämlich nur ca. 25cm lang, aber müssen installiert werden, damit die Gauben nicht durchhängen.
Oder wie der Statiker sagen würde: „Die Dachlast muss vernünftig abgeführt werden.“
Und damit haben wir alles am Tiny House Dachstuhl geschafft, bis auf die beiden Krüppelwalme. Aber die werden wir erst am nächsten Tag angehen können. Jan muss zu einer Auftragsvorbesprechung eines neuen Kunden und Jenny und ich müssen das Tiny House wetterfest machen. Denn unter freiem Himmel ist dieser in Form gebrachte Holzhaufen jedem Regenschauer ausgesetzt und würde binnen weniger Stunden komplett durchweichen.
Packen wir’s ein
Damit das aber nicht passiert, haben wir uns kurz vor Baubeginn noch eine riesige wetterfeste Plane zugelegt. Mit den Maßen 8x10m ist diese groß genug, um nicht nur den Tiny House Dachstuhl, sondern das komplette Konstrukt bis zum Boden einzuhüllen. Und durch Zurrösen am Rand der Plane können wir die Enden am Anhänger fixieren, sodass uns die Abdeckung nicht bei der ersten Windböe davonfliegt. Das Anbringen der Plane braucht wesentlich länger, als wir gedacht haben. Wer jemals schon so eine große Plane ausgebreitet hat und über ein Objekt ziehen wollte, der weiß wovon ich spreche. Zudem kommt bei der Grundfläche von 80m² auch einiges an Gewicht auf uns zu.
Wir breiteten also zunächst die Plane auf der Wiese aus, um sie anschließend wie einen Wrap, allerdings an allen vier Seiten, wieder zusammenzufalten. Auf unseren Dachfirst gebracht, legen wir die Plane zentriert ab und klappen sie zunächst nach vorne und hinten aus, sodass der First komplett bedeckt ist. Danach klappen wir die beiden Seiten herunter und die Schwerkraft nimmt uns die Arbeit des Entfaltens ab. Wie bei einem gigantischen Vorhang haben wir jetzt also unser Haus verhüllt. Erinnert ein wenig an Christos Kunstwerk aus dem Jahre 1995. Nur, dass hier weniger ein künstlerischer, als vielmehr ein funktioneller Aspekt zum tragen kommt.
Als wir am darauffolgenden Tag unser (Kunst-)Werk inspizieren, sind wir aufgrund des nächtlichen Regens froh, die Plane über das Haus gezogen zu haben. Auch die mehrfache Befestigung derselben an den Streben des Anhängers hat sich, ob des starken Windes, bewährt. Da die Vorhersage für diesen siebten Tag eher durchwachsenes Wetter angekündigt hat, lassen wir die Plane zusammengefaltet auf dem Tiny House Dachstuhl liegen, um das Haus bei Bedarf gleich wieder abzudecken. Diese Entscheidung hat sich auch schnell gelohnt, denn ein kleiner Nieselregenschauer ließ nicht lange auf sich warten. Gehen wir also den letzten Bauabschnitt an.
Eine letzte Herausforderung am Tiny House Dachstuhl
Der Aufbau der Krüppelwalme kann durch die nachfolgenden Bilder leicht verständlich erklärt werden. Die kleinen Dachsparren des Krüppelwalms (hellblau markiert) verlaufen schräg nach unten und enden auf dem Ortgang (pink markiert). Dabei verlaufen sie über den Abschluss der Wand (rot markiert), welche in Form fast identisch mit dem Ortgang ist, liegen hier auf und müssen auch entsprechend eingeschnitten werden.
Die Schwierigkeit am Bau besteht in der Fertigung der beiden Grate (äußere hellblau markierte Balken). Während die beiden kleinen Sparren in der Mitte mit einer Neigung von 42° geschnitten werden, kommt bei den äußeren beiden diagonal verlaufenden Sparren noch die Gehrung von 38° hinzu. Mich hat dieser Vorgang zwar komplett überfordert (und hätte vermutlich noch eine zusätzliche Woche Zeit und weitere zehn Holzbalken gekostet) aber Jan schien diese Aufgabe eher anzuspornen.
Zunächst fertigten wir aber den Ortgang (pink markiert) und hielten uns dabei streng an die Werte die uns unser SketchUp-Modell ausgab. Wenn es in der Zeichnung passt, dann muss es auch am Original klappen. Anschließend packte Jan wieder seinen Winkelmesser aus, notierte sich allerlei Maße am Dachstuhl und stiefelte in die Werkstatt. Während er so anzeichnete und sägte, nahmen wir uns die Zeit noch ein paar Bilder von unserem Bauprojekt zu knipsen… oder kurz in der Sonne zu verweilen.
Als Jan mit den zurecht gesägten Stücken zurückkam, war die Spannung groß. Aber völlig unnötig. Die zurechtgesägten Sparren passten wie die Faust aufs Auge. Wieder einmal war ich erstaunt, aber auch erfreut, dass wir durch die fachmännische Unterstützung jede Menge Zeit gespart und gleichzeitig einen hochqualitativen Rohbau auf die Beine gestellt haben.
Die letzten Kleinigkeiten werden erledigt
Nachdem also die letzte große Herausforderung gemeistert war, standen nur noch zwei Punkte auf dem Plan. Es galt zum einen zu überprüfen, ob alle Verbindungen ordnungsgemäß verschraubt waren. In der Eile kann ja doch die ein- oder andere Schraube übersehen worden sein. Gerade wenn ich am Bau mitarbeite. Und dann galt es noch eine Transportsicherung einzubauen.
Der Tiny House Rohbau war zwar, von dem was wir sehen und fühlen konnten, sehr fest, aber die endgültige Steifigkeit erhält solch ein Holzrahmenbau erst durch die Verschraubung der inneren Wände sowie der Fassade. Um aber eine vernünftige Stabilität für die Fahrt nach Leipzig sicherzustellen, installierte Jan noch schnell mehrere diagonal verlaufende Bretter, die direkt in den Holzrahmen verschraubt werden.
So konnte unser Tiny House auf die Straße, ohne unterwegs vielleicht schon die ersten Ermüdungserscheinungen am Rahmen zu zeigen. Bis es aber soweit ist, verpacken wir unser Schätzchen wieder unter der großen Plane und sichern alles mit reichlich Schnur.
Es war eine tolle Zeit
Und jetzt bedanken wir uns erst einmal bei Jan, mit dem wir sieben großartige, lange, anstrengende, herausfordernde, aber auch spaßige Tage hatten. Wir haben viel geschafft, gelacht und gelernt, aber auch geflucht und sind eigentlich ständig der Zeit hinterhergehetzt. Doch trotz der vielen kleinen Herausforderungen haben wir die Zeit auch unglaublich genossen.
Jennys Papa hat uns am Bau unterstützt, viele Freunde sind vorbeigekommen und haben das Projekt begutachtet und Jennys Großeltern sorgten für die nachmittägliche Verpflegung mit Kaffee und Kuchen. Und alle hatten so einen interessierten und freudigen Ausdruck auf den Gesichtern, weil sie wussten: „Das ist der Beginn von etwas Großartigem.“
Und wir beide? Wir sind jetzt einfach nur erledigt und wollen am liebsten eine Woche lang durchschlafen. Aber das ist leider nicht möglich, denn auf Jenny und mich wartet bereits wieder die Arbeit und das Tiny House muss vorher noch nach Leipzig geschafft werden.
Aber wie wir das gelöst haben, erzählen wir euch im nächsten Beitrag.
Also bis bald
Marco & Jenny
Bildnachweise
Alle Bilder: Tiny House Tour