Tiny House Dach – Teil 1 – Das Richtfest ist nah

7. Januar 2021Marco Schaller

Bevor wie uns an die Arbeit für das Tiny House Dach begeben, werfen wir kurz einen Blick zurück. Denn die letzten Tage auf unserer Tiny House Baustelle gingen ruckzuck vorbei und drei wichtige Abschnitte konnten abgeschlossen werden: die Montage der Bodenplatte, die Verbindung mit dem Anhänger und das Montieren und Aufstellen der Wände.

Wo vorher nur ein leerer Anhänger herumstand, füllte jetzt unser Rohbau in Holzständerbauweise die kleine Werkstatt aus. Ein zutiefst befriedigendes Gefühl. Aber auch ein Problem, denn „ausfüllen“ traf den Nagel auf den Kopf. Die Halle war zu klein (oder unser Rohbau mittlerweile zu groß), um das Dach montieren zu können. Und eine Änderung des vorhandenen Bauprojektes in Richtung Flachdach kam für uns nicht in Frage. Damit das Tiny House Dach wie gewünscht gebaut werden konnte, gab es nur eine Lösung: Das Haus muss seinen Stellplatz ändern! Aber dazu später mehr.

Wir bereiten die Einzelteile für das Tiny House Dach vor

Auch wenn der Dachrohbau später an anderer Stelle fertiggestellt werden soll, gibt es noch einiges in der kleinen Werkstatt zu erledigen. Jans Empfehlung, viele Bauteile bereits in der Halle fertigzustellen, stößt bei uns auf fruchtbaren Boden. Einerseits stehen dort die großen Geräte (wie z.B. die Kappsäge), die einen Zuschnitt der Materialien wesentlich erleichtern. Warum also erst alles zu einem anderen Ort transportieren, oder mit kleineren Werkzeugen ungenauere Ergebnisse produzieren?

Andererseits brauchen wir nur die Wege und den dazugehörigen Zeitaufwand hochzurechnen, falls einem auf dem neuen Standplatz Schrauben oder Werkzeug fehlen. Vom Dach heruntersteigen, zur Halle laufen, zurück zum Haus und wieder auf das Dach. Dieses Hin und Her kann in Summe leicht einige Stunden ausmachen. Derart schnell von der Idee der Vor-Ort-Fertigung überzeugt, gingen wir auch schon daran, die benötigten Einzelteile mit Jan abzusprechen. Und das sind Einige.

Unsere Tiny House Dachform wird ein echter Hingucker

Wir haben ja lange überlegt, welche Dachform die beste für unser Tiny House ist, konnten uns aber lange Zeit nicht entscheiden. Es gab einfach zu viele und alle haben ihre ganz speziellen Vorteile. Aber egal ob Satteldach, Pultdach oder windschlüpfriges Schrägdach, keines hat beim ersten Anblick diesen Will-haben-Effekt ausgelöst. Denn irgendwie haben wir nur die Nachteile der einzelnen Varianten gesehen:

  • nicht windschlüpfrig
  • zu wenig Kopffreiheit im Loft
  • zu langweilig in der Optik
  • et cetera…

Anders hat sich das Ganze verhalten, als wir zufällig auf ein Tiny House mit einem Krüppelwalm-Dach gestoßen sind. Das hat uns sofort begeistert und ausschließlich Vorteile gehabt – zumindest subjektiv. Durch die natürliche Dachform haben wir einen guten Regenablauf und wenig Dachlast bei Schnee zu erwarten. Der Krüppelwalm vorne und hinten ermöglicht ein windschlüpfrigeres Fahren und hat weniger etwas von „Schrankwand durch die Landschaft ziehen“. Mit einer kleinen Gaube auf der Beifahrerseite (ausschließlich für das Schlafzimmer) und einer langen breiten Gaube auf der Fahrerseite (Schlafzimmer, Wohnzimmer und Büro-Loft) haben wir genug Licht auf allen Ebenen und ausreichend Kopffreiheit.

Und um das Thema der Raumhöhe im Loft noch zu erweitern, haben wir keinen normalen Firstbalken, sondern einen ganzen Verbund. Dieses Konstrukt ist ca. 60cm breit, zieht sich von vorne nach hinten durch und erweitert so die Kopffreiheit - besonders im Schlafzimmer und Büro wird das sehr angenehm sein. Und genau mit diesem Firstbalken-Verbund beginnen wir unsere Fertigung.

Ein ungewöhnlicher Firstbalken entsteht

Wie bereits bei den Wänden, so nutzen wir auch an diesem Punkt wieder unsere fertiggestellte Bodenplatte für die Fertigung. Schließlich ist sie schön gerade und bietet für die Hölzer auch ausreichend Auflagefläche. Es könnte eher ein Problem sein, dass die längsverlaufenden Balken unseres Firsts ca. 6,63 Meter lang sein sollen, die zu erhältlichen Kanthölzer aber nur maximal fünf Meter messen. Während ich noch versuche eine Lösung zu eruieren, ist Jan schon wieder mit seinen Werkzeugen zugange.

Auf Nachfrage wird klar, dass er die Lösung schon längst hat und mich nur wieder herausfordern wollte. Aber wie soll man nur gegen einen gelernten Zimmermann ankommen? Am besten gar nicht versuchen, sondern aufpassen und lernen!

Nicht lang schnacken, überblatten!

Der künstliche Längsbalken wird aus zwei einzelnen Kanthölzern zusammengesetzt, die an der Verbindungsstelle überplattet werden (siehe Übergang im nachfolgenden Bild). Jan arbeitet an den einzelnen Übergängen sehr genau, um mögliche Fehler auszuschließen. Neben kräftigen Schrauben kommt natürlich auch wieder Holzleim zum Einsatz. Theoretisch könnten wir so den Firstverbund ins Unendliche verlängern, müssen wir aber zum Glück nicht. Knapp unter sieben Metern reichen uns ja komplett. Nach dem gleichen Prinzip erstellen wir noch einen identischen Längsbalken, da unser Firstverbund ja aus zwei langen (künstlichen) Balken besteht.

Während der Leim anziehen darf, kümmern wir uns um die Querbalken, die später für eine stabile Verbindung der zuletzt konstruierten Hölzer sorgen. Die Materialstärke haben wir wieder an die Benutzung und späteren zu erwartenden Lasten angepasst. Einfach zu erkennen sind diese im oberen Bild, dem Modell aus SketchUp. So messen die Endstücke des Verbundes 80x80mm (rot markiert), da hier der First mit dem Krüppelwalm verbunden werden muss. Die mittleren Querstücke sind im Mix aus 80x40mm (weiß) oder aber 80x60mm (gelb) gewählt, die langen konstruierten Balken messen ebenfalls 80x60mm (gelb).

Die Querverbinder werden in regelmäßigen Abständen montiert und nachdem auch die beiden Endstücke verschraubt sind, ist der Firstverbund erstellt. Dieser wurde jetzt auf die bereits konstruierte Loftebene gelegt und gegen ein mögliches Herunterstürzen gesichert. Schließlich wollen wir das Teil beim späteren Umparken des Tiny Houses nicht auf den Kopf bekommen.

First, Sparren und Krüppelwalm

Der First ist jedoch nicht das einzige Teil, welches wir vorab fertigen werden. Die Dachsparren stehen ebenso auf der Liste wie die Grundgerüste des vorderen und hinteren Krüppelwalms, die jeweils auf den entsprechenden kurzen Wänden des Tiny Houses befestigt werden. Die Dachsparren werden wie am Fließband produziert, an der unteren Seite diagonal ab- und am oberen Ende entsprechend eingeschnitten - in diesen Einschnitten (oder Aussparungen) wird später der Firstbalken liegen.

Nachdem die einzelnen Sparren bereitliegen, gehen wir die beiden Krüppelwalm-Strukturen an. Hierzu werden jeweils zwei verkürzte Sparren hergestellt, welche an der Oberseite mittels eines horizontalen Balkens verbunden werden. Später liegt dieser Querbalken auf der vorderen, respektive hinteren Wand auf, während die untere Seite der beiden Sparren, wie alle anderen Dachsparren, bündig auf dem längs verlaufenden oberen Balken der Seitenwände aufliegt.

Wie bereits bei so vielen Arbeiten am Haus, gebe ich Jan die entsprechenden Maße und Winkel durch, sodass er nur noch anzeichnen und zuschneiden muss. Mit dieser Methode geht die Fertigung aller Komponenten schnell von der Hand und nachdem wir alle notwendigen Teile für unser Tiny House Dach abgearbeitet und auf der Bodenplatte aufgereiht haben, geht es an den nächsten Schritt.

Wir wechseln den Stellplatz

Wie wir bereits eingangs angesprochen haben, ist die Halle zu klein, um unser Tiny House Dach zu montieren. Daher wechseln wir jetzt den Platz für die weiteren Bauabschnitte. Als erstes müssen wir jetzt also das Tiny House aus der Halle bugsieren. Dank des ebenen Betonfussbodens bekommen wir es anfangs auch mit Muskelkraft noch gut geschoben, aber nach dem Hallentor ist aufgrund der Steigung des Geländes bereits Schluss. Doch dafür hat Jan bereits seinen kleinen Geländewagen in Position gebracht. An diesen wird das Tiny House angehängt und anschließend geht es mit Motorenkraft die Steigung hoch. Und beim folgenden Rangieren in der engen Gasse hinter der Werkstatt ist jetzt eine zweite Person gefragt, denn ohne Einweisung laden wir höchstens in der Hecke des Nachbarn, nicht aber am eigentlichen Bestimmungsort.

Nach mehreren Manövern haben wir das Ziel unserer Reise vor Augen. Einen Stellplatz, der nur zehn Meter neben der ursprünglichen Werkstatt liegt. Doch trotz dieser lächerlich kleinen Entfernung waren wir gut 45 Minuten mit dem Umparken beschäftigt. Das enge Gässlein, plötzlich erscheinender landwirtschaftlicher Verkehr, staunende Nachbarskinder und der beengte Platz am neuen Standplatz kosten eben Zeit.

Als Herausforderung kommt jetzt noch dazu, dass das Tiny House, trotz völlig eingezogenen Stützrades, nicht mehr in Waage steht. Der Boden ist dazu einfach zu schräg und so müssen wir mit der Schräge arbeiten. Nach Jans Erklärung orientieren wir uns aber im weiteren Bauverlauf an den bereits schnurgerade konstruierten Wänden, sowie den Markierungen, welche ich vorher noch am Firstbalkenverbund sowie den längs verlaufenden oberen Balken der Seitenwände angebracht habe. Denn diese zeigen die Position eines jeden Dachsparrens an. Wenn wir die einzelnen Sparren also nur an diesen Markierungen ausrichten, wird das ganze Konstrukt schon sehr gerade. Aber natürlich haben wir auch noch eine weitere Kontrollfunktion in petto.

Arbeiten in luftiger Höhe

Zur Absicherung des weiteren Baus fahren wir noch die Kurbelstützen am Tiny House aus, bringen mehrere große Leitern zum Bau sowie ein paar Holzplanken, welche in die Loftebene gelegt werden, damit wir bei der Dachmontage einen sicheren Stand haben. Anschließend legen wir uns die einzelnen Dachsparren zurecht, setzen diese an die angezeichneten Positionen und befestigen diese, von unten durch die oberen Längsbalken der Seitenwände, mit einzelnen massiven Schrauben. Der Plan ist, dass wir zuerst mehrere Dachsparren befestigen und anschließend den Firstbalkenverbund von oben in die herausgeschnittene Aufnahme der Sparren legen.

Wir nutzen hier wieder 120mm lange und 6mm starke Exemplare. Die Sparrenmaße wechseln hier nur zwischen 80x80mm und 80x40mm. Die stärkeren Varianten (rot eingefärbt im nachfolgenden Bild) nutzen wir am Rand oder an später kritischen Positionen wie z.B. als Grundlage für die Anbringung der Photovoltaik-Anlage oder als Stütze für die Gauben.

Sabbel nich – dat geit

Obwohl die Schrauben über den im Bauverlauf bereits mehrfach erwähnten Zusammenzieh-Effekt verfügen, flößen mir die befestigten Sparrenbalken noch nicht allzu viel Vertrauen ein. Einige erinnern aufgrund ihrer im Wind neigenden Weise eher an eine vor Wiedersehensfreunde wedelnde Hunderute. Oder wie ein Freund sagen würde: „Das wackelt ja wie ein Lämmerschwanz!“

Jan nimmt sich meiner Bedenken an und erklärt mir, bestimmt schon zum 10. Male, wie die Festigkeit bei Holzrahmenbau entsteht. Stabilität erhält das endgültige Produkt erst durch die Summe seiner Teile – ist also alles verschraubt, dann wackelt da auch nichts mehr!

Auch wenn ich dem gelernten Handwerksmeister jedes seiner Worte glaube, so ist es als Frischling am Bau doch kaum zu begreifen. Aber gut, wir wollen uns ja nicht mit den Details aufhalten, sondern vorankommen. Also schlucke ich meine Skepsis hinunter und arbeite brav weiter mit. Jemand muss schließlich die Sparren halten und mit seinem Körpergewicht beschweren, während Jan von unten die Schrauben durchs Gebälk treibt. Und da Jenny vor den Höhen im Dachgeschoss einen gewissen Respekt hat, wird mir diese Aufgabe zu teil.

Der Firstbalken am Tiny House Dach wird eingesetzt

Nachdem wir alle durchgängigen Sparren befestigt haben, darf endlich der vorgefertigte Firstbalken-Verbund an seine Position gehoben werden. Dazu heben Jan und ich das Konstrukt etwas über die Sparren, kippen es ein wenig in Richtung einer der beiden Längsseiten und fädeln es vorsichtig in die Aussparungen der Sparren ein. Jenny drückt von unten die einzelnen Sparren mit einem Besen nach oben, bis jeder einzelne an seiner Position ist und der First-Verbund auf einer Seite der Länge nach in den Aussparungen liegt.

Jetzt senken wir die andere lange Seite langsam ab, um diese ebenfalls auf die Sparren zu legen. Jennys bewährte "Mit-dem-Besen-hoch-drück-Methode" kommt wieder zum Einsatz und so liegt wenige Minuten später der Firstbalkenverbund auf den Sparren und formt bereits, zumindest optisch, ein wunderschönes Tiny House Dach.

Und obwohl noch keine weitere Schraube platziert wurde, fühlt sich der entstandene Dachstuhl schon erstaunlich fest an. Damit er es aber auch wirklich wird, greift Jan bereits zu dem Akku-Drehschlagschrauber und einer weiteren Packung Holzschrauben. Währenddessen kann ich mein akrobatisches Talent ausleben und klettere zwischen den Sparren herum, um alle Balken an die angezeichnete Position zu schieben. Somit ist der Dachstuhl später auch ohne den Einsatz einer Wasserwaage schnurgerade und im Lot. Zusätzlich klemmen wir sogar eine Wasserwaage als Verlängerung an die Stempel der Wände, um die korrekte Position des Firsts zu untermauern. Doppelt hält besser! Ringsherum verschrauben wir jetzt die einzelnen Hölzer mit dem First und haben damit den ersten Schritt zu einem massiven Dachgerüst abgeschlossen.

Und wieder einmal bin ich überrascht, wie stabil das Ganze doch ist. Am Dach bewegt sich trotz dem Fehlen jeglicher Gauben, diagonaler Aussteifungen und der beiden Krüppelwalme nämlich gar nichts. Selbst als ich mich direkt ans Gebälk hänge, um ein Motiv für die Kamera zu bieten, kann der Dachstuhl nur müde lächeln. Genau SO habe ich mir das vorgestellt. Dann kann der Bau ja weitergehen.

Bis hier hin lief das doch ganz gut, oder?

Als nächstes wollen wir die vorgefertigten Grundgerüste der beiden Krüppelwalme montieren, allerdings merken wir an dieser Stelle, dass doch nicht alles so reibungslos vonstattengeht, wie wir uns das gedacht haben. Jans Blick trifft die Konstruktion, dann mich (mit vielsagender Mimik) und dann wieder die Konstruktion. Nachdem ich erkenne, worauf er schaut, beschleicht mich das dumpfe Gefühl einen Fehler gemacht zu haben.

Was wir da an unserer Konstruktion entdeckt haben und warum uns das jede Menge Zeit gekostet hat, lest ihr im zweiten Teil unserer Dachkonstruktion.

Bis bald

Marco & Jenny


Bildnachweise

Alle Bilder: Tiny House Tour

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