Tiny House Bestimmungen – Welche Gesetze wir für unser Häuschen beachten müssen

25. November 2019Marco Schaller

Haben wir uns im letzten Beitrag Gedanken um das Inventar des Tiny House gemacht, ist das heutige Thema nicht so leicht zu fassen, doch umso wichtiger: Gesetze, Bestimmungen und Regelungen. Wer in Deutschland ein Haus bauen will, hat einen wahren Genehmigungs-Marathon zu absolvieren. Nicht verwunderlich also, dass das Ganze auch für ein Minihaus zu erledigen ist. Doch welche gesetzlichen Tiny House Bestimmungen gibt es zu beachten? Und sind diese für uns überhaupt relevant?

Im heutigen Beitrag klären wir daher, welche Regelungen für unser Tiny House zu beachten sind. Dazu betrachten wir die Planungs- und die Bauphase, aber auch unser (geplantes) Leben mit dem Tiny House.

Die Größe schrumpft – die Auflagen bleiben

Mit der Verkleinerung des Wohnraumes und dem geplanten Einzug in ein Tiny House wird nicht automatisch der Aufwand reduziert. Auch Minihäuser benötigen einen Bauantrag, die entsprechende Freigabe, Statik, und so weiter und so weiter. Müssen wir mit unserem Tiny Haus also tatsächlich diese Auflagen beachten?

Aber warum unterliegt ein fahrendes Haus dem baurecht und braucht eine Baugenehmigung, die sonst eigentlich nur Immobilien benötigen, also unbewegliche Bauten? Da muss es doch ein Schlupfloch geben.

Tiny House ohne Bauantrag – ganz legal

Natürlich gibt es, gerade für unseren Fall, andere Möglichkeiten. Schließlich wollen wir uns nicht fest niederlassen, sondern reisen. Ein mobiles Tiny House braucht aber trotzdem eine Genehmigung – in unserem Falle für die Teilnahme am Straßenverkehr. Und hier sieht der Gesetzgeber zwei Optionen vor. Entweder wird das Tiny House auf den Anhänger geschraubt und diese Verbindung von Prüf-Institutionen wie DEKRA oder TÜV als gesetzlich anerkannte Ladungssicherung abgenommen. Oder das komplette Konstrukt wird einfach als Wohnwagen zugelassen. Aufgrund der geplanten Reise durch Deutschland und europäische Länder, die nicht in der EU vertreten und somit einheitlichen Regelungen unterworfen sind, wollen wir lieber auf Nummer Sicher gehen und haben uns für eine Wohnwagenzulassung entschieden.

Bei der Frage „Was genau ist das? Haben Sie dafür eine Zulassung?“ können wir also punkten. Etwaige Kontrollen werden somit hoffentlich abgekürzt. Gleichzeitig können wir uns auch die Einfahrt auf ein Camping-Gelände oder einen speziellen Stellplatz sichern. Heißt es am Tor „Nur für Wohnwagen“, können wir sagen: „No problem“.

Vorbereitung ist alles

Damit später bei der geplanten Zulassung nichts schief geht, sind allerdings mehrere Voraussetzungen zu beachten. Schließlich bekommt nicht jeder dahingezimmerte Holzbau auf einem Anhänger die Freigabe. Im Internet konnten wir uns bereits über viele Voraussetzungen informieren, wie:

  • die Schaffung eines wohnlichen Gesamteindrucks
  • das Funktionieren von Wasser und Strom
  • die Existenz abschließbarer Kästen und Schränke
  • das Beseitigen scharfer Kanten
  • etc.

Doch je länger wir gesucht haben, desto mehr widersprachen sich die verschiedenen Angaben meist gegenseitig. Nur ein Hinweis war konstant und kristallisierte sich heraus, der lapidare Satz: „Sprecht am besten direkt mit dem Prüfer“.

Das persönliche Gespräch mit dem Sachverständigen – vor dem Bau

Da unser Tiny House von uns gebaut wird, sind wir die Auftraggeber für die Wohnwagenzulassung. Es gibt keine Firma, die uns die Arbeit abnehmen könnte oder die Versäumnisse später korrigiert. Hier müssen wir selbst auf jedes Detail achten. Daher suchten wir das direkte persönliche Gespräch mit einem Prüfer, der dieses Einzelstück abnehmen und für den Straßenverkehr freigeben kann.

Nach einigen vergeblichen Anfragen per E-Mail und noch aussichtsloseren Telefonaten, half, wie üblich, der Zufall. Ein Freund erfuhr von unseren Plänen und der Situation und brachte uns mit einem Prüfer in Kontakt. Jetzt konnten wir endlich unsere Pläne zeigen und die bisher gesammelten (Halb-)Informationen vortragen.

Nichts ist unmöglich – nur herausfordernd

Glücklicherweise wurde das Merkblatt des TÜV Nord bereits zurückgezogen, weshalb nicht mehr alle Punkte relevant waren. Aber unser Prüfer hatte andere wichtige Dinge im Auge, dazu gleich mehr.

Zuerst erklärten wir unser Tiny House Projekt und was wir damit vorhatten, sozusagen als Eisbrecher. Anschließend erläuterten wir detailliert die Pläne anhand unserer SketchUp-Planung. Hinsichtlich des Baus verwiesen wir auf einen erfahrenen Zimmermann, der uns die Grundkonstruktion, also unseren Holzrahmen bauen wird. Im Innenbereich gab es zunächst, da weniger für die Entscheidung zur Zulassung relevant, eine weniger detaillierte Beschreibung, welche dann doch aufgrund des persönlichen Interesses des Prüfers ausuferte. Zu guter Letzt konnten wir auch einen erfahrenen Bau-Ingenieur vorweisen, der die Statik für unser Haus berechnen wird. Durch unsere professionelle und akribische Vorbereitung konnten wir jede gestellte Frage beantworten und den Prüfer von der Signifikanz des Projektes überzeugen - er nahm sich unseres Projektes an.

Kein JA ohne ABER

Für die Prüfung unseres Tiny House sowie dessen spätere Zulassung als Wohnwagen, sollten wir uns jedoch an einige wichtige Eckpunkte halten. Zudem gab es einige Auflagen, die unbedingt erfüllt werden mussten.

  • Allem voran wird eine lückenlose Dokumentation des ganzen Projektes verlangt, also Fotos, Fotos, Fotos!
    Je mehr und detaillierter, desto besser. Schließlich können (und wollen) wir das Haus zur Prüfung nicht auseinanderbauen, um eine Holzverbindung zu erklären / zu zeigen. Das sollte für künftige Influencer kein Problem sein, denn wir wollten ja ohnehin für euch alles genauestens dokumentieren 😉
  • Wasser und Strom muss vorhanden sein und funktionieren.
  • Eine Statik eines Bau-Ingenieurs muss Prüfung und finalen Abnahme vorliegen. Alle Glasscheiben am Tiny House müssen bauartgenehmigt sein.
    Falls sich jemand, wie ich mich zum damaligen Zeitpunkt, fragt, was damit gemeint ist, dem sei hier aus dem Bürokratie-Dschungel geholfen. Die Fensterscheiben müssen zur Teilnahme am Straßenverkehr geeignet und freigegeben sein. Einfaches Einscheibensicherheitsglas (ESG) oder Verbundsicherheitsglas (VSG) reicht am Tiny House nicht. Es muss (unbedingt) ein Stempel vorhanden sein, der die Prüfung und Freigabe nach Autoglas-Richtlinien z.B. ECE R43 bestätigt.
  • Die üblichen Maße und Gewichte müssen eingehalten werden, d.h.
    eine Höhe von 4,00m, die Breite von 2,55m und ein maximales Gewicht von 3,5 Tonnen.

Von Prüfer zu Prüfer verschieden

Wie gut die Entscheidung war, vor dem Bau ein Gespräch mit dem Sachverständigen zu suchen, sahen wir an unserem Ergebnis. Nicht nur, dass wir vielleicht den einen oder anderen Punkt umgesetzt hätten, der für die finale Abnahme nicht notwendig gewesen wäre, auch hätten wir kritische Sachen übersehen.

An die Stempel am Glas hätten wir garantiert nicht gedacht, haben wir doch in Foren gelesen und auch auf YouTube gehört, dass es reichen würde, vor Fahrtantritt Blechplatten in die Fenster zu klemmen. Tja – Fehlanzeige! Ein anderer Prüfer hätte sich damit vielleicht zufreiden gegeben, unserer jedoch nicht. Daher auch an dieser Stelle der Tipp:

Redet vor dem Beginn der Planungsphase mit einem Sachverständigen um euch gesicherte Informationen zu beschaffen. Während ein Ansprechpartner in Halle andere Auflagen fordert, kann der in Leipzig mit weniger zufrieden sein. Neben dem Bundesland und der Stadt spielen auch immer persönliche Vorurteile eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Tiny House Bestimmungen - Ein neuer Führerschein wird nötig

Konnte ich mit meinem bisherigen Führerschein problemlos PKW oder Motorrad fahren, wird jetzt eine Erweiterung notwendig. Mit Klasse B (für PKW) dürfen nur Anhänger bis zu 750kg (zulässigem Gesamtgewicht) gezogen werden. Die nächsthöhere Klasse BE erlaubt Anhänger mit bis zu 3,5t.

Hatte ich anfangs noch Angst, dass ich jetzt hierfür wieder die komplette Theorie pauken müsste, konnte schnell Entwarnung gegeben werden. Es müssen lediglich einige wenige Praxis-Pflichtstunden absolviert werden und schon kann es zur Prüfung gehen. Die Gesamtkosten beliefen sich bei mir auf ca. 670€ und der Zeitaufwand war mit zwei Wochen überschaubar.

Für alle Eventualitäten abgesichert – die richtige Versicherung

Für unser Tiny House brauchen wir keine spezielle Tiny House Versicherung, sondern nur eine Wohnwagenversicherung. Allerdings muss diese auch alle Investitionen in das Tiny House abdecken. Wir möchten ungern 5.000€ für den Akku der Stromversorgung investieren, diesen aber nicht abgesichert - im Falle eines Unglücks - wissen. Eine genaue Auflistung des Ausbaus des Wohnwagens wird daher an verschiedene Versicherungen verschickt, um das bestmögliche Angebot zu nutzen. Eine Vorab-Prüfung konnte bereits erfolgreich abgeschlossen werden, die finale Anfrage folgt erst kurz vor Fertigstellung.

Wohn- und Meldeadresse

Verschiedenste Blogs berichten darüber, dass deren Inhaber bereits seit Jahren in der Welt unterwegs sind und sich komplett aus Deutschland abgemeldet haben. Das wollen wir jedoch nicht. Auch wenn wir viel unterwegs sind und reisen, ist es uns lieb, wenn wir noch eine feste Melde- und Postadresse in Deutschland haben. Daher werden wir die Möglichkeit nutzen und uns bei Freunden anmelden.

Die richtigen Tiny House Bestimmungen beachten – auch im Ausland

Auch wenn wir mit unserem Tiny House häufig unterwegs sein werden, muss es zwischendurch ab und zu abgestellt werden. Dabei müssen wir uns an das geltende Recht der Straßenverkehrsordnung halten. Wir dürfen unseren Wohnwagen, da über 2 t schwer, zwar in Wohngebieten abstellen – aber nicht in der Zeit von 22 bis 6 Uhr (§ 12 Abs. 3a StVO). Abstellverbot gilt auch am Wochenende. Aber selbst wenn der Wohnwagen dann an einem erlaubten Ort steht, muss er spätestens nach zwei Wochen bewegt werden.

Das Übernachtem im Wohnwagen betreffend, kommt im Ausland noch eine größere Hürde hinzu. Denn hier wird zusätzlich nach Privatgelände und öffentlichem Grund unterschieden. Aus einer Übersicht des ADAC wird schnell ersichtlich, in welchem Land wir besser einen Camping-Platz zum Übernachten aufsuchen sollten.

Tiny House Bestimmungen – Mobil geht alles einfacher

Vergleicht man die Gesetze und Regelungen, welche wir mit der geplanten Zulassung unseres Tiny House als Wohnwagen beachten müssen, haben wir gefühlt einen geringeren Aufwand gegenüber einem geplanten Minihaus innerhalb eines Grundstücks.

Hat man sich für die feste Variante entschieden, kommt man um den Bauantrag nicht herum. Das Grundstück will erschlossen werden und Wasser- und Abwasser will „geklärt“ sein. Und da man schon ein eigenes Grundstück besitzt, will man auch seine Wohnadresse dorthin ummelden. Das ist natürlich alles mit mehr Aufwand und Arbeit verbunden, aber zahlt sich am Ende trotzdem aus, wenn man sein eigenes Tiny House betritt und weiß: Hier bin ich zuhause!

Der (für uns) langweiligste Teil ist vorbei

Auch wenn das seitenweise Wälzen langweiliger Gesetzestexte sterbenslangweilig war, war es doch umso wichtiger für unsere Planungsphase. Wir wollen schließlich genau wissen, worauf wir uns einlassen. Und gerade bei solch einem großen und wichtigen Projekt, sollte man sich erst umfassend informieren und dann mit dem Bau beginnen. Sonst ist hinterher die Arbeit umsonst und das investierte Geld futsch.

Und weil wir gerade über den schnöden Mammon reden, beschäftigen wir uns direkt im nächsten Artikel mit der Finanzierung des Tiny Houses.

Bis bald

Marco & Jenny


Bildnachweise

  1. Titelbild, Gesetzes-Literatur: Tiny House Tour
  2. Bauplan mit Lineal: Bild von Wokandapix auf Pixabay
  3. Fenster mit Stempel: Tiny House Tour

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